Himmelhoch jauchzend ...

Vielleicht ist der Grund für diese neu erworbene Gelassenheit aber auch eher in einem neuen privaten Glück zu finden. Mit Angela Peltner hat Frank Giering endlich den Rückhalt gefunden, den er so lange gesucht hat. Obwohl er sich schon seit längerem zu ihr hingezogen fühlt, hat es – bedingt durch seine Unsicherheit und seinen Ängsten – einige Zeit gebraucht, bis die beiden letztendlich zusammengefunden haben. Seine erste Begegnung mit ihr beschreibt er einmal folgendermaßen: »Als ich meine Freundin kennenlernte und wir uns zum ersten Mal unterhielten, merkte ich, wie toll ich sie finde. Und da habe ich plötzlich Angst bekommen, dass ich langweilig werden könnte. Also habe ich gesagt, ich müsste jetzt gehen, damit sie mich in guter Erinnerung behält.« [1] Ende 1999 kann er in einem Interview mit dem Magdeburger Stadtmagazin Dates die Frage nach einer festen Freundschaft noch nicht wirklich beantworten: »Hmh, das ist zurzeit alles nicht so einfach. Ich kann die Frage momentan gar nicht so richtig mit ja oder nein beantworten. Das kommt auch davon, wenn man im Jahr 30 Wochen unterwegs ist. Ein Privatleben funktioniert dann nur schwer, man braucht viel Vertrauen und das wächst auch aus Selbstsicherheit. Ich bin kein besonders selbstsicherer Mensch, eher voller Komplexe. (...) Aber sie ist ein Mensch, den ich schätze und ehre, eine Magdeburgerin, um genau zu sein und eine sehr schöne noch dazu.« [2]

Frank Giering mit Freundin Angela Peltner am Abschlusstag der Berlinale (Februar 2002) / ©picture-alliance / SCHROE' WIG/CS
Frank Giering mit Freundin Angela Peltner am Abschlusstag der Berlinale (Februar 2002) / ©picture-alliance / SCHROE' WIG/CS

Sein neues privates Glück hilft ihm nach eigener Aussage auch, die Dreharbeiten zu Die Nacht singt ihre Lieder von Romuald Karmakar zu verarbeiten. [3] In dem Stück von Jon Fosse, in dem es um Liebe geht, die keine Erfüllung findet, um Hoffnung, die ausbleibt [4] und ganz allgemein um die alltägliche Fahrlässigkeit im Umgang miteinander [5], die in dem Scheitern einer Beziehung mündet, erkennt Frank Giering sich selbst wieder. Die Figur des jungen Mannes, die er spielt, wird von den gleichen Ängsten heimgesucht, von der gleichen Eifersucht geplagt, die auch Frank Giering viel zu gut kennt. »Nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, fragte ich den Regisseur, woher er mein Leben so genau kenne. Der Film handelt von Liebe, Betrug, Selbstzweifeln und emotionalen Exzessen. Ein Leben am Limit, wie bei mir. Nur hoffe ich, dass mein Ende anders aussieht.« [6]

Das Schweigen in dieser Beziehung, wenn eigentlich etwas gesagt werden müsste, ist für ihn das Brutalste, was er sich vorstellen kann – im Leben wie im Film. [7]

Die Dreharbeiten entwickeln sich zu einer sehr persönlichen Aufarbeitung der eigenen Erfahrungen und Biographie. Umso wichtiger ist es für ihn, dass seine Freundin seine Ängste – und mochten sie noch so übertrieben sein – ernst nimmt und ihn auffängt, wenn er zutiefst aufgewühlt und verunsichert von den Dreharbeiten nach Hause kommt. »Sie hat mir wirklich immer geholfen, hat mich immer aufgefangen. Selbst wenn ich völlig übertriebene Ängste hatte – weil ich etwas so gerade im Drehbuch gelesen oder etwas gerade so gespielt habe und dann gedacht habe, es könnte ja auch in Echt so sein. Und dann Sachen gefragt habe, die ich eigentlich gar nicht fragen wollte oder wo ich die Antwort gar nicht wissen wollte. Aber sie ist so toll, sie hat nie sagt, ›Oh Mann, nerv mich nicht‹, sondern hat mich immer wieder aufgefangen – mit einer Kraft, die unglaublich ist. Ich bin ihr unheimlich dankbar, dass es sie gibt und dass sie für mich da ist. Das ist ein schönes Gefühl.« [8]

Gleichzeitig lässt ihn die Arbeit an diesem Film aber auch noch einmal erspüren, welch eine Magie beim Spielen entstehen kann, welch ein Gottesgeschenk dieser Beruf für ihn ist. [9]

So gern er auch ab und an Komödien spielt, so sind es doch gerade die gebrochenen Charaktere und die düsteren Rollen, die ihn faszinieren und ihm eine tiefe Befriedigung schenken. [10] Doch bis zu dieser Erkenntnis war es ein weiter Weg. »Hätte man mich früher gefragt, ob ich ein Mensch mit Tiefgang sein wolle oder ein toller Kerl, der die Frauen abgreift, hätte ich garantiert den Frauenhelden gewählt. Leider hat mich niemand gefragt, aber heute glaube ich, dass ich Schwierigkeiten hätte, einen coolen Typen glaubhaft zu spielen. Das können andere bestimmt besser.« [11]

Heute weiß er: »Gebrochene Figuren sind vielschichtig. Da sind laute Töne und leise Töne, nicht nur entweder laute oder leise. Ich mag das, auch in der Kleidung: Ich trage zum Beispiel gern mal ein zerlumptes T-Shirt zu einer schicken Hose. (...) Ich finde Brüchiges immer bewegend, sowohl im Ausdruck als auch im Sein. Wenn ich einen Menschen sehe, dem man anmerkt, dass mit ihm etwas nicht stimmt, dann erweckt das mein Interesse. Und so ähnlich ist es auch, wenn ich ein Drehbuch lese, und die Figur ist erst guter Laune und danach plötzlich traurig. Ich versuche zu ergründen, warum das so ist. Oft bemerke ich dann, dass es viel von diesem Brüchigen in meinem eigenen Leben gibt. So kann ich mich voll und ganz reinfühlen.« [12]

Frank Giering in »Die Nacht singt ihre Lieder« / ©imago
Frank Giering in »Die Nacht singt ihre Lieder« / ©imago

Gerade weil ihm die Rolle des jungen Mannes in Die Nacht singt ihre Lieder so vertraut, so nah ist, setzt Frank Giering all seine Kraft in das Gelingen dieses Projektes – auch weit über seine Rolle hinaus – und verdient sich hierbei den höchsten Respekt von Romuald Karmakar. In der Pressekonferenz auf der Berlinale 2004 bescheinigt er Frank Giering, einer der komplettesten Schauspieler Deutschlands zu sein. »Und das bedeutet das gleiche, als wenn man im Fußball von einem kompletten Fußballspieler spricht: das ist jemand, der alles kann. Sie können mit ihm einen ernsthaften Film drehen, sie können mit ihm eine Komödie drehen, sie können ihn hässlich machen, sie können ihn schön machen… und er ist sehr, sehr intelligent, unabhängig von dem, was er sozusagen mit seinem Kunstwerk leistet. Und er hat die Gabe und auch die Kraft, sich nicht nur um seine eigene Rolle zu kümmern, sondern auch um das Projekt. Und er sieht sich als Teil dieses Projekts. Und wenn er sich sozusagen für das Projekt – oder über seine Rolle hinaus auch für das Projekt engagiert – versteht er eigentlich auch, dass seine Rolle besser wird.« [13]


[1]     Wichert, Silke: Wann haben Sie das letzte Mal…, in: Allegra Heft 3/2004, S. 170.

[2]     Engelhardt, Conrad: Absoluter Gigant, in: Dates Stadtmagazin Magdeburg, Heft 12/1999, S. 30.

[3]     Interview Frank Giering, in: NDR Talk Show, Erstausstrahlung 31.01.2003, NDR.

[4]     Filmdatenblatt zum Berlinale Wettbewerbsbeitrag Die Nacht singt ihre Lieder.

[5]     Pressekonferenz Die Nacht singt ihre Lieder, Berlinale 2004 vom 11.02.2004.

[6]     Rating, Britta: Frank Giering über Liebe und Alkohol, in: Maxi Heft 3/2004, S. 149.

[7]     Bankert, Elke: Der gute Böse, in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 21.02.2003.

[8]     Interview Frank Giering, in: NDR Talk Show, Erstausstrahlung 31.01.2003, NDR.

[9]     Interview Frank Giering, in: NDR Talk Show, Erstausstrahlung 31.01.2003, NDR.

[10]    Pressekonferenz Die Nacht singt ihre Lieder, Berlinale 2004 vom 11.02.2004.

[11]    Jung, Artur: Wege zum Ruhm, in: Cinema, Heft 2/2001, S. 85.

[12]    Wolff, Susanne: Der Träumer, in: http://www.viva.de/film.php?op=tv&what=show&Artikel_ID=49279, abgerufen am 28.08.2012.

[13]    Pressekonferenz Die Nacht singt ihre Lieder, Berlinale 2004 vom 11.02.2004.